Ich bin da nicht ganz neutral, weil ich das "Bündnis Sahra Wagenknecht" nicht mag - oder jetzt heißen die irgendwie "Bündnis für Senioren und Winterreifen" oder so ähnlich.
Aber natürlich muss man ihnen zugestehen, dass das äußerst knappe Scheitern an der 5-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl für die Partei ziemlich tragisch war. Und angesichts der Tatsache, dass es tatsächlich in einigen Wahllokalen zunächst falsche Auszählungen gegeben hatte, kann man die Zweifel und die Hoffnung auf 10.000 zusätzliche Stimmen erstmal verstehen.
Allerdings fand ich von Anfang an, dass Sahra und ihre Kumpels da sehr großzügig zu ihren Gunsten geschätzt haben, ungefähr nach dem Motto: "In einem Wahllokal wurden zwei zusätzliche Stimmen für uns gefunden. Bei 10.000 Wahllokalen macht das also 20.000 Stimmen mehr für uns. Hurra, wir sind drin!" Und ganz so einfach sollte man sich das dann doch nicht vorstellen, denn in Deutschland sitzen in den Wahllokalen sehr solide und zuverlässige Wahlvorstände und Wahlhelfer, die es als ihre Pflicht ansehen, grundsätzlich das korrekte Wahlergebnis zu melden. Immerhin wollten die mich ja auch schon mal haben ... 😁
Außerdem ist die Auszählung auch noch öffentlich, sodass fast immer weitere Beobachter dabei sind, die auf Unstimmigkeiten hinweisen würden. Eine Hochrechnung von einzelnen fehlerhaften Auszählungen auf ganz Deutschland ist deshalb ziemlich fragwürdig.
Trotzdem kann man natürlich die Frage stellen, warum die Wahlkommission ganze neun Monate brauchte, um zu beschließen, dass keine Neuauszählung durchgeführt wird. Dass solche Entscheidungen von Politikern getroffen werden, die als gewählte Abgeordnete direkt betroffen sein könnten, ist ohnehin zumindest seltsam und klingt nicht nach Neutralität.
Aber! Auch eine Neuauszählung würde nach so langer Zeit keinen Sinn mehr machen, weil - egal, wie sie ausginge - erneut Zweifel bestehen würden. Sollte sie zum gleichen Ergebnis kommen, dann würde das BSW vermutlich behaupten, dass es zwischenzeitlich Manipulationen an den in irgendwelchen Kellern aufbewahrten Wahlzetteln gegeben haben muss. Und im anderen Fall, wenn das BSW tatsächlich die Stimmen zusammenbekommen würde, dann hätten andere Parteien die gleichen Argumente und könnten behaupten, dass irgendwer dort Wahlzettel ausgetauscht hat. Frieden über den Wahlausgang würde es also in beiden Fällen nicht geben.
Jetzt wird vermutlich das Verfassungsgericht im kommenden Jahr entscheiden und ich gehe mal als Verfassungsrechtsexperte davon aus, dass es dann keine Neuauszählung mehr geben wird, weil das Gericht sich meinen Argumenten anschließt (... Ja, ihr könnt ruhig meine rechtliche Würdigung übernehmen und noch ein paar Fachausdrücke einbauen, die keiner versteht. Also irgendwas mit Restsitzverteilung, Normenklarheit und verfassungsgemäßer Stabilität und so ... damit es sich auch juristisch anhört).
Und für die Zukunft würde ich - wäre ich Verfassungsrichter - dem Gesetzgeber eine rechtliche und zahlenmäßige Klärung auferlegen, ab welchem Stimmenverhältnis eine Neuauszählung zwingend und zeitnah durchgeführt werden muss. Also zum Beispiel: Wenn eine Partei an der 5 % Hürde scheitert oder knapp reinkommt, dann gibt es bei einer Differenz von weniger als 20.000 Stimmen zwingend eine Neuauszählung innerhalb einer Woche. (Ja, den Vorschlag könnt ihr auch übernehmen. Und ich will da auch nichts für haben, außer, dass jetzt nach über 20 Jahren endlich mal die Verfassungsklage gegen die zu niedrige Beamtenbesoldung in Niedersachsen entschieden wird und ich eine Nachzahlung zwischen 5.000 EUR und 48 Millionen EUR bekomme ...)
Kommentare