Hier wie versprochen wieder was Lustiges, nämlich eine kleine und ganz neue Geschichte vom Lowpricelighter für alle, die in der Corona-Zeit Trost und Halt suchen ... ;-) Um die Geschichte zu verstehen, sollte man natürlich vorab meine Lowpricelighter-Bücher gelesen oder sie zumindest gekauft haben, siehe:
"Dem Klaus seine Bücher"
"Dem Klaus seine Bücher"
Lowpricelighter
versus Corona
(©
Klaus Fischer)
Die
Nachricht war ziemlich überraschend gekommen. Unsere Regierung hatte
aufgrund der Corona-Virus-Krise sämtliche öffentlichen
Veranstaltungen verboten. Dazu zählten auch Gottesdienste.
Wir
hatten deshalb vereinbart, uns als Gemeindeleitung zu treffen, um das
weitere Vorgehen abzusprechen. Diese Gemeindeleitung bestand aus
unserem Pastor Hosea und dazu noch der Leiterin unserer Kinderarbeit,
Anne Wand-Klatschen, und natürlich aus mir.
Bei
der letzten Wahl zur Gemeindeleitung hatte es einen Protest von Genda
Mehnstriehm gegeben, die beantragt hatte, die Gemeindeleitung müsse
zu 50 % mit Frauen besetzt sein. Hosea hatte als Pastor darauf
hingewiesen, dass es schwierig sei, ein aus drei Personen bestehendes
Gremium zur Hälfte männlich und weiblich zu besetzen. Daraufhin
hatte Genda beantragt, dass man dann eben die Gemeindeleitung auf
mindestens fünf Personen erweitern müsse und dann würde das mit
den 50 % ja rechnerisch schon eher klappen … wenn man es wirklich
will!
Das
wiederum hatte einen Protest von Günter Siekmann zur Folge, der
damals darauf hinwies, dass erstens eine Gemeindeleitung immer nur
aus drei Personen bestehen dürfe, weil dies seit den drei Weisen aus
dem Morgenland biblisch so festgelegt sei. Und zweitens dürften
Frauen überhaupt nicht in die Gemeindeleitung, weil die Weisen aus
dem Morgenland schließlich auch alle Männer waren … und außerdem
Weise!
Die
folgende etwas hitzige Diskussion möchte ich an dieser Stelle nicht
wiedergeben, weil dort einige Dinge gesagt wurden, die man in einer
christlichen Gemeinde, nun ja, zumindest anders formulieren sollte.
Günter scheiterte jedenfalls mit seiner eigenen Kandidatur bei der
schriftlichen Wahl zur Gemeindeleitung mit null Stimmen. Es hatte
zwar einen Stimmzettel gegeben, auf dem der Name Günter Siekmann
angekreuzt war. Der handschriftlich hinzugefügte Zusatz: „Leiter
der Weltmission und vom Herrn eingesetzter legitimer Nachfolger von
Billy Graham und Reinhard Bonnke“ führte jedoch aus Sicht der
Wahlkommission damals zur Ungültigkeit.
Hosea,
Anne und ich trafen uns also im Gemeindebüro. Während wir als
Gemeindeleitung darüber nachdachten, wie wir die Versammlungsverbote
aufgrund des Coronavirus umsetzen werden und was wir als Alternativen
anbieten können, stürmte eben jener „Leiter der Weltmission“
Günter Siekmann in den Raum und verkündete folgendes:
„Höret,
Brüder! Der Herr sprach zu mir in einem Bild. Ich sah ein weißes
Pferd mit schwarzen Streifen und dahinter eine hohe Mauer ...“
„Das
könnte das Zebra-Gehege im Zoo sein“, stellte Anne lapidar fest.
Aber Günter ließ sich in seinem prophetischen Redeschwall nicht
bremsen: „ … und ich sah ein Segelschiff, das neben einem
hölzernen Turm auf Sand lag ...“
„Das
könnte der Kinderspielplatz im Zoo sein“, meinte Anne genervt.
„ … und
eine Stimme aus dem Turm sprach zu mir: Sammelt euch, ihr geistlichen
Leiter! Sammelt euch! Und sprecht zu den Menschen im Norden: Höret,
ihr Menschen des Nordens, die ihr im Norden wohnt. Beuget euch, damit
der Norden gerettet werde. Und sprecht zu den Menschen im Westen:
Höret, ihr Menschen des Westens, die ihr im Westen wohnt. Beuget
euch, damit der Westen gerettet werde. Und sprecht zu den Menschen im
Süden: Hö ...“
„Du,
Günter, ich glaube, wir haben das Prinzip verstanden!“ unterbrach
ich ihn etwas unwirsch.
„Welches
Prinzip?“ fragte Günter völlig überrascht.
„Na,
ich schätze mal, dass die Menschen im Süden und dann vermutlich
auch die Menschen im Osten sich auch beugen sollen, um gerettet zu
werden, oder?“
„Das
konntest du nicht aus dir heraus wissen. Das hat dir der Herr
eingegeben, um meine Prophetie zu bestätigen!“ frohlockte Günter.
„Und der Herr wird alle diejenigen ausrotten und vom Erdboden
vertilgen, die nicht in unsere Gemeinde kommen … und so werden wie
wir!“ schmetterte er weiter.
„Günter!“
sagte Hosea in ruhigem Ton. „Ich weiß nicht in allen Einzelheiten,
was Gott wirklich plant. Aber ich bin mir relativ sicher, dass er
nicht möchte, dass alle so werden wie wir.“
Günter
sah das naturgemäß anders und wollte gerne noch weiter darüber
diskutieren, dass die Zeit gekommen sei, in der der amerikanische
Präsident Trump das Volk Gottes durch den geteilten Atlantik ins
gelobte Land führen würde. Aber als er sich gerade in eine seiner
üblichen Verschwörungstheorien reinsteigern wollte, die darauf
hinauslaufen, dass „wir“ von „denen“ durch irgendwelche
Impfstoffe oder Handystrahlen gefügig gemacht werden sollen, reichte
es Hosea dann auch mal:
„Günter!
Wir müssen uns hier als Gemeindeleitung Gedanken machen, wie wir mit
den von der Regierung verordneten Gottesdienstverboten umgehen. Wir
haben jetzt wirklich keine Zeit für deine Verstrahlung. Wir haben
hier momentan eine Krise, die den ganzen Erdball betrifft. Also geh
jetzt bitte nach Hause! … Oder in den Zoo!“
Günter
ging, aber nicht ohne noch zu rufen: „Sie ist kein Ball, sondern
eine Scheibe! Die Erde ist eine Scheibe!“
Als
endlich wieder Ruhe eingekehrt war, beschlossen wir als
Gemeindeleitung alle öffentlichen Gottesdienstveranstaltungen
abzusagen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass an jedem Sonntag
eine Predigt und ein paar Lieder online ausgestrahlt werden. Ich
erklärte mich bereit, dies für den ersten Sonntag zu übernehmen
und einen Livestream von zuhause zu senden.
Gitti
war nicht übermäßig begeistert, als ich ihr erklärte, dass ich
das Wohnzimmer umgestalten muss, um den Zuschauern unseres
Livestreams eine gewisse Gottesdienstatmosphäre zu geben. Sie hielt
es außerdem auch nicht für notwendig, dass ich unseren
Wohnzimmertisch hochkant stellte und mit dem Edding-Stift ein
schwarzes Kreuz auf die Glasplatte malte, um ihn als Kanzel für die
Online-Predigt zu nutzen. Und sie wollte auch mal wieder nicht
einsehen, dass sie als Online-Ehefrau des Online-Predigers Arno Nühm
während der Übertragung nett lächelnd auf dem Sessel neben der
improvisierten Kanzel sitzen sollte.
„Das
kannst du vergessen“, sagte sie. „Ich will ganz bestimmt nicht in
einem Video im Internet zu sehen sein.“ Meine aufmunternd gemeinte
Bemerkung „So schlimm siehst du doch nun auch wieder nicht aus“
half da auch nicht weiter.
Ich
muss gestehen, dass ich etwas nervös war. Ich hatte schon gepredigt,
ich hatte auch schon alleine Musik gemacht, aber noch nicht vor einer
Kamera, die alles live ins Internet überträgt. Im Nachhinein war es
vielleicht auch nicht optimal, dass ich nach meinem kurzen Kameratest
um 7:30 Uhr vergessen hatte, sie wieder auszuschalten. Ich merkte das
erst, als um kurz vor 9 Uhr mein Freund Wolfgang Holbein anrief und
fragte: „Sag mal, ist das Absicht, dass man dich in deinem FC
Bayern Schlafanzug bei Facebook sehen kann?“ Mein anschließender
sportlich sehenswerter, aber trotzdem etwas zu kurz geratener
Hechtsprung zur Kamera war zwei Wochen später schon über 4.000 mal
bei Youtube angeklickt worden.
Der
eigentliche Online-Gottesdienst verlief dann fast reibungslos:
9:57
Uhr Die Online-Übertragung beginnt. Arno Nühm setzt sich an sein
Keyboard und schaut grenzdebil in die Kamera. (Übrigens jetzt nicht
mehr im FC Bayern Schlafanzug, was der Vollständigkeit halber
erwähnt werden sollte).
9:58
Uhr Arno Nühm klickt auf dem Laptop rum und fragt mit leicht
verzweifeltem Unterton: „Ist das jetzt schon …? Bin ich …? Ja,
hallo zum … nee, ich fang nochmal an. Ich glaube, das ist noch
nicht … Doch! … Ah, jetzt! Hallo Stucki! Danke, dass du
eingeschaltet hast … Gut, wenn man mich jetzt scheinbar live sehen
kann, dann leg ich mal gleich los ...“
10:00
Uhr Arno Nühm begrüßt die vier Zuschauer mit den Worten: „Herzlich
willkommen zum ersten Online-Gottesdienst der Freien
Erweckungsgemeinde Todtenhausen. Wir wollen auch in dieser
schwierigen Zeit darauf vertrauen, dass unser Herr … ach scheiße,
wieso ist denn jetzt die Kamera verrutscht?“
10:02
Uhr Arno Nühm richtet die Kamera neu aus, weil im Bild nur noch
seine Füße mit den Hausschuhen zu sehen waren,die modisch
allerdings nicht so ganz zum Anzug passen. Jetzt stimmt das Bild
wieder, allerdings klappt im Hintergrund das extra für die
Online-Übertragung angebrachte Poster mit dem berühmten
christlichen Gedicht „Ins Wasser fällt ein Schwein“ herunter.
10:03
Uhr Arno Nühm begrüßt die Zuschauer erneut und startet mit dem
ersten Lied, das natürlich thematisch zur Corona-Krise passt:
Keine
Seuche kann mich schlagen
und
- falls doch – will ich es tragen
In
den allergrößten Nöten
weiß
ich: Nichts wird mich je töten
außer
wenn du, Gott, es willst
und
mich heim holst und jetzt killst
10:07
Uhr Der Lowpricelighter beendet das Lied mit einem wuchtigen
A-Septime-Akkord und lässt ihn langsam ausklingen, um die Heiligkeit
dieses Moments nachwirken zu lassen.
10:08
Uhr Gitti Nühm betritt das Zimmer und fragt: „Waren diese beiden
blaugrauen Unterhosen, die bei dir neben dem Bett lagen, eigentlich
für die Wäsche bestimmt oder hattest du damit noch irgendwas vor?“
Arno
Nühm hechtet erneut mit einem sportlich sehenswerten, aber trotzdem
wieder etwas zu kurz geratenen Hechtsprung zur Kamera. Nachdem er
sich wieder aufgerappelt hat, schaltet er die Kamera aus …
Anschließend
entsteht eine teils lebhafte, aber selbstverständlich fast immer in
christlicher Harmonie geführte Diskussion zu den Themenbereichen
„Unterhosen“, „Wertschätzung von Hausarbeit“, „Wertschätzung
von Predigtdiensten während der Corona-Krise“ sowie „Vor- und
Nachteile des Ehelebens im allgemeinen und im besonderen mit Herrn
Arno Nühm“.
10:58
Uhr Die Diskussion endet nach einer Dreiviertelstunde in christlicher
Harmonie mit dem von Gitti Nühm geäußerten Satz „Dann mach doch
deinen Mist alleine!“.
10:59
Uhr Arno Nühm erinnert sich daran, dass er ja irgendwie den
Online-Gottesdienst fortsetzen sollte und stellt anschließend fest,
dass er die Übertragung dummerweise doch nicht unterbrochen hatte.
Deshalb wurde wohl der komplette Streit an die mittlerweile 4.083
Zuschauer übertragen. Das Video wurde 1.332 mal geliked, 428 mal
kommentiert und 34 mal geteilt. Arno Nühm freut sich über diesen
außergewöhnlichen Zuspruch nur bedingt.
11:03
Uhr Arno Nühm tritt vor die Kamera, setzt sich an sein Keyboard und
spielt ohne noch etwas zu sagen einfach als Abschluss des
Online-Gottesdienstes das in mehrfacher Hinsicht zum Thema passende
Instrumentalstück „Slip away“.
(Ende
der Dokumentation des Online-Gottesdienstes)
Gitti
und ich hatten unseren Streit beim Mittagessen längst beendet. Denn
erstens gab es Frikadellen und ich kann nun wirklich keinem Menschen
böse sein, der mir Frikadellen brät. Schon gar nicht, wenn sie so
schmecken wie die Frikadellen, die Gitti macht. Und zweitens konnten
wir uns sozusagen über einen gemeinsamen „Feind“ aufregen,
nämlich unsere Tochter Steffi!
Die
hatte nämlich kurz zuvor angerufen und gesagt, dass von den Experten
empfohlen wird, alte Menschen nicht zu besuchen. Und deshalb hatte
sie den für den Nachmittag geplanten Besuch abgesagt. Ich war zwar
jetzt nicht unbedingt traurig, wenn ich meinen Schwiegersohn Aaron
ein paar Wochen lang nicht sehe. Aber auf meinen kleinen Enkelsohn
wollte ich natürlich nicht verzichten.
Ach
ja, das mit dem Enkelsohn können Sie ja noch nicht wissen. Wenige
Wochen nach der Hochzeit von Steffi und Aaron hatten die beiden uns
berichtet, dass wir Großeltern werden. Die Freude war natürlich
riesig und wir konnten die Geburt kaum abwarten. Kurz nach der
Entbindung hatte Aaron bei uns angerufen: „Herzlichen Glückwunsch!
Ihr seid jetzt Oma und Opa. Die Mutter und der kleine Lukas-Rodrigo
sind wohlauf.“
Lukas-Rodrigo?
Ich hatte erstmal nichts gesagt, aber wie kann jemand ernsthaft auf
die Idee kommen, sein Kind Lukas-Rodrigo zu nennen? Wir hatten dann
kurz danach glücklicherweise herausgefunden, dass unsere Tochter und
ihr Kerl nicht wirklich so blöde waren, ihren Sohn Lukas-Rodrigo zu
nennen. Aaron hatte sich zum Glück nur wieder einen seiner blöden
Witze erlaubt. Im Grunde genommen wäre ja auch der Name sowieso
nicht so wichtig gewesen, denn Hauptsache, die Mutter und das Kind
sind gesund. Und ich war vermutlich der glücklichste Opa der Welt,
als ich den kleinen Philemon-Galadriol in meinem Arm gehalten hatte …
Also,
zurück zum Besuchsverbot. Gitti und ich waren ziemlich sauer, dass
unsere Tochter uns bereits einfach so in die Risiko-Gruppe der Alten
und Todgeweihten einstufte. Mir war nämlich völlig klar, dass diese
Krankheit mir überhaupt nichts anhaben konnte, denn erstens war ich
für mein Alter noch ziemlich jung und zweitens: Wer außer mir
sollte denn gerade in so einer Krise der am Boden liegenden
Christenheit neues Leben einhauchen? Ich meine, wenn wir von dem
etwas missglückten Online-Gottesdienst mal absehen.
Ach,
apropos Online-Gottesdienst. Wenn ich bei dieser Gelegenheit noch
einen Tipp loswerden kann. Für alle, die auch gerne ein Kreuz auf
den Wohnzimmertisch zeichnen wollen, um ihn hochkant als Kanzel zu
nutzen: Man sollte keinen Stift nehmen, auf dem irgendwas mit
„permanent“ steht … nur mal so als Hinweis.
Gitti
und ich waren uns jedenfalls einig, dass der Entzug unseres Enkels
für uns eine unzumutbare Härte bedeutete und dass wir unsere
Tochter unbedingt überreden mussten, ihre Meinung zu ändern.
Kurz
danach klingelte irgendjemand an der Haustür. Ich hoffte darauf,
dass Steffi doch noch zu Besuch kommen wollte, wurde aber leider
enttäuscht und auch etwas überrascht. Vor der Tür stand ein Wesen
wie aus einer anderen Welt mit einem Ganzkörper-Schutzanzug. Wir
hatten natürlich davon gehört, dass Kriminelle sich mit solchen
Tricks Zugang in fremde Wohnungen verschaffen wollten und deshalb
sagte ich gleich: „Wenn Sie jetzt behaupten, dass Sie vom
Gesundheitsamt sind, dann rufe ich sofort die Polizei.“ Aber das
Wesen meldete sich: „Arno, erkennst du mich denn nicht? Ich bin's!
Die Else … Else Baluschek.“ Ich blieb misstrauisch, denn
möglicherweise hatten diese Kriminellen ihren sogenannten Enkeltrick
auch schon als Baluschek-Trick erweitert.
„Nehmen
Sie mal die Schutzhaube vom Kopf und setzen Sie diesen komischen
Mundschutz ab“, sagte ich. „Sonst glaube ich hier erstmal gar
nichts!“
„NEIN!“
wimmerte es unter dem Anzug. „Diese Virologen schwirren hier
überall umher und wollen uns umbringen.“
Von
der Stimme her konnte es Else sein. Und die Figur passte auch
ungefähr, also so ungefähr 1,30 m hoch und breit.
„Else,
was willst du? Und wieso bist du überhaupt wieder in Deutschland?*“
(*Für
alle, die den fünften Band vom Lowpricelighter nicht gelesen haben,
hier zwei kurze Hinweise: Erstens ist Else Baluschek im fünften Teil
vom Lowpricelighter nach Bukandi in Afrika ausgewandert und zweitens
frage ich mich gerade, was das für ein armseliges Leben sein muss,
wenn man den fünften Teil vom Lowpricelighter nicht gelesen hat ...)
„Ach,
das ist eine lange Geschichte“, schnaufte das Wesen unter dem Anzug
mit schwerer Atemnot. „Kann ich nicht erstmal reinkommen? In eurer
Wohnung sind bestimmt weniger tödliche Virologen als hier draußen
...“
Ich
kam nach kurzer Überlegung zu dem Ergebnis, dass es möglicherweise
auch in der Nachbarschaft zu Gerüchten kommen könnte, wenn jemand
mit einem Schutzanzug bei uns vor der Haustür steht und bat sie
deshalb in die Wohnung. Else stapfte in Richtung Wohnzimmer und
atmete dabei wie Darth Vader.
Sie
weigerte sich aber trotz der offensichtlichen Atemnot standhaft,
diesen Anzug auszuziehen oder wenigstens die Kopfhaube abzusetzen.
Auch dann noch, als Gitti zu ihr sagte: „Else, du bist
wahrscheinlich längst dehydriert und musst dringend was trinken.
Soll ich dir ein Glas Wasser holen?“
„Nein,
im Wasser sind ja diese Virologen auch drin!“ prustete Else. Gitti
und ich schauten uns ratlos an und ich fragte mich in diesem Moment,
ob Gott da irgendeinen Plan verfolgte, um mich mit irgendwelchen
biblischen Plagen in die Knie zu zwingen. Erst Corona, dann die Sache
mit dem missglückten Online-Gottesdienst, dann der abgesagte Besuch
unserer Tochter und unseres Enkelsohnes und jetzt stattdessen noch
Else im Schutzanzug. Was kommt als nächstes? Mein Nachbar Watermeier
wird Bundeskanzler?
Else
wollte uns eigentlich erzählen, weshalb sie nach so langer Zeit aus
Bukandi abgereist war. Es hing wohl irgendwie damit zusammen, dass
ihre Witwenrente nicht mehr gezahlt wurde, weil die Rentenkasse davon
ausging, dass sie längst tot sei. Deshalb musste sie nun
ausgerechnet in dieser schwierigen Zeit nach Deutschland, um das zu
klären.
Ein
besonderes Schauspiel bot sich, als Else niesen musste und sich
deshalb plötzlich zusammenrollte. Sie erklärte uns hinterher, dass
man wegen des Virus immer in die Kniebeuge niesen muss. Gitti
versuchte ihr zu erklären, dass die Armbeuge grundsätzlich leichter
zu erreichen sei, aber das bekam Else schon nicht mehr mit, weil sie
jetzt tatsächlich in ihrem Schutzanzug ohnmächtig wurde und direkt
neben mir auf die Erde plumpste.
„Kannst
du sie denn nicht mal festhalten, bevor sie vom Sofa fällt und auf
die Tischkante knallt?“ fragte Gitti, als sie Else die Schutzhaube
abnahm.
„Ich
dachte, die will wieder niesen“, sagte ich entschuldigend.
„Hol
mal Wasser“, befahl Gitti in ihrem typischen
Krankenschwester-Kommandoton, wenn es galt, die Menschheit zu retten.
Als
ich mit einem Eimer Wasser zurück kam, war Else gerade wieder bei
Bewusstsein und begann mit einer ihrer bekannten Panikattacken: „Ohne
die Schutzkleidung bin ich jetzt bestimmt konfektioniert. Und ich bin
doch ein Risiko-Patient!“
„Das
wissen wir schon lange“, sagte ich und fing mir dafür gleich einen
fiesen Blick meiner Ex-Verlobten ein. Gitti fragte außerdem: „Wieso
kommst du denn jetzt mit einem Eimer, MANN?“
„Weil
du WASSER wolltest, FRAU!“
„Ein
Glas Wasser, Arno! Ein GLAAAHAAAS!“
Toll!
Warum sagt sie das dann nicht gleich? Ich brachte den Eimer wieder
weg, holte ein Glas und schaute dann vorsichtshalber in der Küche
noch mal aufs Smartphone, ob das alles immer noch im Internet
übertragen wird. Glücklicherweise war das nicht der Fall.
Als
ich wieder zurück ins Wohnzimmer kam, hatte Gitti sich weiter um
Else gekümmert und ihr bereits den Schutzanzug ausgezogen. Else in
Unterwäsche! „Herr! Erbarme dich!“ betete ich innerlich.
Schlimmer konnte es nicht mehr kommen …
Doch!
Konnte es. Denn kurz darauf rief nämlich Günter bei mir an und
erklärte, dass er die Kanzlerin angeschrieben habe mit der
unmissverständlichen Aufforderung, mit sofortiger Wirkung wieder
Gottesdienste zu erlauben. Andernfalls würde er durch Gebete dafür
sorgen, dass sämtliche Regierungsmitglieder von einer
Heuschreckenplage biblischen Ausmaßes und anschließend Durchfall
heimgesucht würden.
„Außerdem
habe ich die Kanzlerin darauf hingewiesen, dass in christlichen
Kirchen auf gar keinen Fall eine Mundschutzpflicht angeordnet werden
kann, weil Gott sonst nicht sehen kann, wer immer treu zu den
Versammlungen erscheint.“ Keine Ahnung, was Günter danach noch so
alles erzählte, denn ich warf mein Handy einfach ins Klo.
Als
Gitti dann noch fragte, ob ich Else mit dem Auto ins Pflegeheim „Last
Vegas“ fahren kann, wo sie vorübergehend untergebracht werden
sollte, antwortete ich ganz ruhig:
„Nein,
ich werde Else nicht in ihrer hautfarbenen Unterwäsche durch die
Gegend fahren. Und ich werde nicht mehr mit Günter telefonieren. Ich
werde auch keine Online-Gottesdienste mehr gestalten oder irgendwas
anderes. Sondern ich will jetzt einfach meine Ruhe haben … nur Ruhe
… ganz viel Ruhe ...“
„Aber
...“
„Ruuuuuuu
...häääääääää!“
Ungefähr
vier Stunden später öffnete Gitti den Deckel der Kühltruhe und
meinte: „Du solltest jetzt da rauskommen, finde ich. Außerdem ist
Steffi mit dem Kleinen da ...“
FAQ, um Rückfragen zu vermeiden:
Nein, es wird kein neues Lowpricelighter-Buch geben, weil ich noch bis ungefähr 2049 die Raten für den selbstfinanzierten fünften Lowpricelighter-Band abzahlen muss.
Ja, man kann meine Bücher auch als Mundschutz vors Gesicht binden.
Nein, ich kenne kein Gegenmittel, weder gegen Corona noch gegen meinen Humor. Und ich rate in beiden Fällen davon ab, Desinfektionsmittel zu spritzen.
Ja, eigentlich steckt Bill Gates hinter allem und will nur dafür sorgen, dass es endlich auch Klopapier mit dem Lowpricelighter-Motiv gibt.
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Ich bin ein Riesen-Fan!