Die Nachtruhe war wie fast immer vor einem Marathon bei mir um kurz nach vier Uhr beendet. Selbst nach so vielen Jahren bin ich immer noch aufgeregt und will möglichst früh los und im Startbereich sein. Das warme Wetter hatte mir die Vorfreude ziemlich vermiest, weil klar war, dass es für mich sehr hart werden würde. Aber wenn du dann aus der S-Bahn steigst und am Brandenburger Tor vorbeigehst, dann ist sie wieder da: Diese Gänsehaut, die dich auch nach über 20 Berlin-Marathons wieder befällt.
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Wieder vergessen, den Bauch einzuziehen ... |
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Früh im Startbereich sein ist bei mir Pflicht |
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... denn irgendwann wird es voll ... sehr voll. Mittlerweile lassen sie 55.000 Läufer auf die Strecke |
Kurz vor dem Start wurde "Rocking all over the world" von Quo gespielt. Ich musste grinsen, denn dieser Song erinnert mich natürlich an legendäre Konzerte meiner Lieblingsband und er wurde übrigens auch bei meinem Zieleinlauf 2003 gespielt, als ich meine Bestzeit von 3:06:00 Stunden gelaufen bin.
Da war heute klar, dass es auch nicht annähernd in die Richtung geht. Aber ich wollte sowieso nur "lebend ins Ziel kommen" und möglichst im Zeitlimit bleiben. Leider machte mir die Hitze - wie erwartet - zu schaffen und so hatte ich schon bei km 20 das Gefühl, dass mir jemand "den Stecker gezogen" hatte. Da war klar, dass der Rest ein Kampf gegen die Müdigkeit, gegen die Schmerzen und gegen die Uhr werden würde, denn das Zeitlimit war für mich in Gefahr. Eigentlich hätte ich deutlich weiter laufen können, zumindest hatte ich das im Training gut geschafft.
Heldenhaft habe ich trotzdem alles, was der alte, welke Körper noch hergab, reingehauen, um in der vorgegebenen Zielzeit zu bleiben. Man muss dazu sagen, dass auch langsamere Läufer nicht aus der Wertung geschmissen werden. Allenfalls ganz hinten im Feld kann man von der Strecke genommen werden, wenn man zu langsam ist. Aber aufgrund der versetzten Startzeiten bestand da keine Gefahr, weil ich ja früher unterwegs war. Ich wollte es aber trotzdem schaffen, das Zeitlimit nicht zu reißen.
Unterwegs wurde ich vom Weltklasse-Publikum in Berlin immer wieder toll angefeuert: Manche Leute nannten mich "Kluhs" oder "Klohs", aber das war egal. Es ist faszinierend, wie viele Menschen aus der ganzen Welt an der Strecke stehen. Und ab und zu kriegst du einen Extra-Schulterklopfer für die Rückennummer, auf der "20 x Finisher" steht. Besonders beeindruckt hat mich eine mindestens 80-jährige Frau, die auf ihrem Rollator saß und in eine Plastiktröte blies. Nicht mehr besonders laut, aber sie hat mitgemacht. Das ist doch schön.
Bei km 25 warteten einige Leute aus dem Forumteam und ich bekam meine "Not-Cola", die ich etwas später dann auch dringend brauchte. Denn wenn du unterwegs nur Wasser trinkst, ist das irgendwann auch nicht mehr so hilfreich. Und das isotonische Getränk von Firma Maurten, das auch noch angeboten wird, schmeckt mir irgendwie nicht ... wie Elli unterm Arm ... 😁
Ich habe mich einfach von Kilometerschild zu Kilometerschild weitergearbeitet und war dann froh, als endlich km 37 auftauchte. Denn da wusste ich auch, dass ich es bis ins Ziel schaffe und dass ich - wenn ich mein Tempo halte, dann auch das oben erwähnte Zeitlimit schaffe.
Besonders lang ist immer der Kilometer zwischen 39 und 40. Der zieht sich in einer endlosen Geraden und ist meiner Meinung nach - gefühlt - mindestens drei Kilometer lang ... 😁 Aber danach darf man dann endlich abbiegen und wieder zurück nach Westen in Richtung Brandenburger Tor. Das sieht man dann zwar erst ungefähr 800 Meter vor dem Ziel, aber nach jetzt 21 gefinishten Marathons weiß ich ja, wo es steht ... 😁 Durchs Brandenburger Tor durchzulaufen, ist immer wieder ein Highlight. Und kurz danach sah ich sogar noch Dirk Klingelhöfer von den HOSiANNA RUNNERS, der selbst nicht mitgelaufen war, aber als Zuschauer für seine Frau dabei (die übrigens wesentlich schneller war als ich).
Ja, und dann kam der Zieleinlauf. Kurzer Jubel, Dankesgeste nach oben und dann war es geschafft. Die Medaille hatte ich mir verdient, das Geschiebe im Zielbereich nicht unbedingt. Aber ich kenne mittlerweile auch die Wege, die nicht ganz so voll sind, wenn ich meine Klamotten abholen will.
Im Zielbereich sprach mich noch eine Frau an, ob sie kurz telefonieren kann, weil ihr Handyakku leer war. Durfte sie und ich habe auch nicht das angebotene Geld genommen, sondern gesagt: "Als Läufer hilft man sich!" (Wären doch alle Menschen so wie ich ... hüstel ... irgendwo kräht ein Hahn ...😁)
Ja, und dann ging's zum Hotel. Langsam, aber stolz, dass ich es mal wieder geschafft habe. Und zur Belohnung gab es Döner. Da habe ich mich erst etwas erschreckt, denn der Dönerladen, der nur 200 Meter vom Hotel entfernt liegt, heißt "Gemüse-Döner". Aber glücklicherweise hatten die auch was Vernünftiges da und ich musste hinterher nur zwei Zucchini-Scheiben runterpulen. Das sollte eigentlich jeder wissen, dass man sowas nicht isst ... 😁
Jetzt regenerieren!
P.S.: Die komoot-App rät mir gerade, doch diese Woche noch 15 Minuten raus zu gehen ... Nee, ich war heute lange genug draußen.
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