Wintereinbruch beim Lowpricelighter

 

28.11.

22:12 Uhr Gitti N. erzählt ihrem Ehemann Arno, dass die Wetter-App für den kommenden Tag Schneefall ankündigt und bittet ihn deshalb, morgens etwas früher aufzustehen, um den Gehweg zu reinigen, da sie bereits um 05:30 Uhr zum Frühdienst muss. Arno N. reagiert nicht, weil er während der Netflix-Doku „Die größten Naturkatastrophen“ bei „Nr. 19 = Robert Habeck“ auf dem Sofa eingeschlafen ist.

 

22:45 Uhr Arno N. wacht auf und stellt fest, dass seine Frau nicht mehr im Wohnzimmer ist und bereits den Fernseher ausgeschaltet hat. Auf seinem Bauch findet er einen Zettel mit dem handschriftlichen Vermerk:

Bin im Bett! Morgen Schnee! Stelle deinen Wecker auf 6:15 Uhr vor! Habe Frühdienst und schaffe das mit dem Schneeschieben nicht!


22:57 Uhr Arno N. schleicht sich ins Schlafzimmer und legt vorsichtig den Zettel auf die Bettdecke seiner Ehefrau. Dort hat er zusätzlich notiert:

Habe deinen Wecker auf 4:25 Uhr vorgestellt. Dann kriegst du das mit dem Schneeschieben locker hin!



29.11.

06:01 Uhr Arno N. wird von ohrenbetäubendem Lärm geweckt. Erster Gedanke: Die Russen kommen! Zweiter Gedanke: Watermeier!

Ein Blick aus dem Fenster bestätigt, dass der zweite Gedanke korrekt war. Nachbar Wilfried W. hat den Motor seiner Schneefräse der Marke „Heiweh-Tuhell“ angeworfen und beginnt seinen Gehweg zu reinigen, auf dem ungefähr zwölf Schneeflocken liegen.

Arno N. reißt das Fenster auf und brüllt gegen den infernalischen Lärm an: „RUUUHÄÄÄÄÄ!“ Nachbar Wilfried W. hört nichts, weil er Kopfhörer als Schallschutz trägt und widmet sich weiter der intensiven Gehwegreinigung.


06:06 Uhr Arno N. hat aus dem Werkzeugschrank seine Taschenlampe der Marke „ZOOOM“ geholt und leuchtet seinen Nachbarn Wilfried W. damit vom Schlafzimmerfenster aus an. Der schaut nach oben in die Lampe.


06:07 Uhr Wilfried W. ist blind! Er hört aber die Stimme seines Nachbarn Arno N., der ruft: „Du kannst doch nicht morgens um 6 Uhr so einen Lärm veranstalten!“


06:08 Uhr Von der anderen Straßenseite schaltet sich Nachbarin Luise B. ein und schreit: „RUUUUHÄÄÄÄÄ! ODER ICH RUF DIE POLIZEI!“ und wedelt mit dem Telefon. Arno N. richtet seine Taschenlampe auf das Fenster von Luise B.


06:09 Uhr Luise B. ist auch blind!


06:15 Uhr Arno N. hört, dass sein Wecker den Song „Give peace a chance“ spielt und bemerkt, dass seine Frau den Wecker nachts also doch wieder vorgestellt hatte. Nach einem kurzen Moment des Ärgers fällt ihm in diesem Zusammenhang ein, dass Pastor Hosea N. am letzten Sonntag in seiner Predigt über den Frieden Gottes gesprochen hatte, der alle Christen erfüllen und auch auf ihr Umfeld ausstrahlen soll. Arno N. hatte sich von dieser Predigt besonders angesprochen gefühlt und seinen Ruf als geistliches Vorbild für die jungen Menschen gespürt, was er auch in einem ausgiebigen Beitrag während der Gebetsgemeinschaft klarstellte. Er beschließt deshalb, dieser Vorbild-Rolle gerecht zu werden und den Tag zu einem Tag des Gebetes und des Friedens zu machen. Außerdem will er sich bewusst nicht über seine Frau Gitti oder den Nachbarn Wilfried W. aufregen. Er spürt, wie diese innere Ruhe ihn förmlich durchdringt und betet: „Danke Herr, dass du mir jetzt Frieden schenkst und dass ich – trotz der fehlenden Reife gewisser Mitmenschen - ein guter Ehemann und ein guter Nachbar sein kann, der deine Liebe zu den Menschen durch sein Leben widerspiegelt, damit sie dich erkennen ...“


06:17 Uhr Nachbar Wilfried W. kann wieder erste Umrisse mit seinen geblendeten Augen wahrnehmen und startet seine Schneefräse erneut.


06:18 Uhr Arno N. klopft leise und frustriert mit der Faust gegen die Hauswand und beschließt sein Gebet trotz des ohrenbetäubenden Lärms durch die Schneefräse des Nachbarn mit den Worten „Und falls ... und ich will dir da gar nicht reinreden, Herr, aber … falls wider Erwarten der Wilfried es irgendwie doch noch zu dir in den Himmel schaffen sollte … was ich ziemlich merkwürdig fände, aber, wie gesagt, ich halt' mich da raus … jedenfalls, wenn es also dazu käme, dann bring uns beide bitte so unter, dass ich ihm in der Ewigkeit höchstens alle 3,4 Millionen Jahre einmal begegne … wenn möglich, ohne Schneefräse!“


06:48 Uhr Arno N. verlässt frisch geduscht sein Haus und stellt fest, dass ein Polizeiwagen direkt vor der Einfahrt parkt. Die beiden Ordnungshüter stehen dort zwischen Nachbar Wilfried W. und Nachbarin Luise B., die gerade beide gleichzeitig auf die Polizisten einreden.

Während Wilfried W. sich darauf beruft, der Wintereinbruch habe aufgrund des Schneefalls zu einer Naturkatastrophe geführt und damit den frühen Einsatz der Schneefräse nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar zwingend erforderlich gemacht, versucht Luise B. klarzustellen, dass sie den Notruf nur versehentlich gedrückt habe, weil sie aufgrund einer Laserattacke vorübergehend nichts mehr sehen konnte. Und die durchs Telefon hörbaren Hilferufe stammten nicht von ihr, sondern von ihrem Hamster „Lars Ulrich“, der morgens immer „seine fünf Minuten“ bekomme, seit er kastriert ist.


06:50 Uhr Arno N. wünscht allen Beteiligten „Shalom“ und bittet einen der Polizisten darum, den Wagen wegzufahren, damit er mit dem Auto aus der Einfahrt kommt. Nach einem kurzen Blick auf das Fahrzeug von Arno N. entgegnet Oberkommissar M.: „Sie wollen ja wohl nicht mit den zugefrorenen Autoscheiben Ihres PKW am Verkehr teilnehmen, sondern zunächst ordnungsgemäß die Verkehrssicherheit für die Teilnahme am Verkehr sicherstellen, oder?“ „Selbstverständlich stelle ich die Teilnahme am Verkehr sicher!“, entgegnet Arno N. pflichtschuldig.

Die Zwischenbemerkung von Wilfried W.: „Der fährt immer mit zugefrorenen Scheiben los!“, wird von allen anderen Beteiligten ignoriert. Zumal Luise B. parallel dazu eine Anzeige gegen unbekannte Aliens erstatten will, die ihr mit einem Laserangriff vorübergehend das Augenlicht genommen haben. Und trotzdem habe ausdrücklich nicht sie, sondern „Lars Ulrich“ um Hilfe gerufen.


07:15 Uhr Arno N. findet seinen Eiskratzer im Keller, den er seit vier Jahren nicht mehr benutzt hatte. Die Polizeibeamten verfrachten Luise B. und Wilfried W. gerade in den Einsatzwagen, um beide psychiatrisch untersuchen zu lassen, weil Luise B. weiterhin behauptet, von Außerirdischen angegriffen worden zu sein und weil Wilfried W. den Schlüssel seiner Schneefräse verschluckt hat, als die Polizisten ihm diesen abnehmen wollten. Oberkommissar M. ruft die Feuerwehr an und bittet in bestem Amtsdeutsch darum, eine Schneefräse der Marke „Heiweh-Tuhell“ zur weiteren Beweissicherung an Amtsstelle zu verbringen und außerdem nach einem abgängigen Hamster zu suchen, der auf den Namen „Lars Ulrich“ hört.


07:25 Uhr Arno Nühm fragt höflich, ob der Oberkommissar das Polizeifahrzeug zur Seite fahren kann, damit er seinen ordnungsgemäß freigekratzten und verkehrssicheren PKW dem Verkehr zuführen kann.

07:26 Uhr Oberkommissar M. ist blind, weil Arno N. ihn versehentlich mit der Taschenlampe angeleuchtet hat. 

ENDE

(Und um die Frage gleich zu beantworten: Nein, ich schreibe kein Lowpricelighter-Buch mehr!) 

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