Warum ich das mache

Warum ich das mache ...

 

Einige Leute haben sich gewundert, warum ich seit einigen Monaten sog. Demo-Versionen meiner (frommen) Songs auf YouTube veröffentliche. Denn diese selbst aufgenommenen und von mir gesungenen Lieder sind natürlich keine musikalischen Highlights, wenn man das Schlagzeug aus der „Konserve“ holt und dann lediglich die Gitarren und den Bass mit den Fähigkeiten eines – sagen wir mal – ambitionierten Freizeitmusikers einspielt und eine Stimme hat, die so langweilig klingt wie ein Vortrag über betriebliche Altersvorsorge. Und die „Videos“ zeigen ja nun auch keine liebevoll zusammengeschnittenen Live-Aufnahmen, sondern lediglich irgendwelche Bildchen, auf denen die Texte der Songs abgebildet sind. Genau deshalb passt meiner Meinung nach auch der Begriff „Demo“ ganz gut, weil es eben kein offizielles Video ist, sondern nur dazu dienen soll, das jeweilige Lied über unsere Gemeindegrenze hinweg ein bisschen bekannter zu machen.

Trotzdem kann man sich natürlich fragen, insbesondere aus Musikersicht, ob das so unbedingt notwendig ist. Nein, ist es nicht! Klare Antwort. Die Welt kann auch ohne meine Worshipsongs leben, die Verbreitung dieser Lieder hält sich trotz YouTube immer noch sehr in Grenzen und es gibt ja auch im deutschsprachigen Raum einige Leute, die das irgendwie deutlich besser können (sowohl das Songwriting als auch die Performance).

Und deshalb kommen wir jetzt zu der Frage, warum ich es trotzdem mache und weshalb ich das unbedingt an die Öffentlichkeit bringen muss. Ich verrate schonmal vorher, dass die Antwort ein bisschen selbstmitleidig und „jammerig“ wird. Denn letztlich sind diese Aufnahmen für mich in gewissem Maß eine Therapie. Eine Hilfe, um mit depressiven Phasen klarzukommen …

Glaubt mir, ich habe lange überlegt, ob ich mit diesem Thema an die Öffentlichkeit gehe. Auch wenn eine Depression mittlerweile kein Tabu mehr ist und für manche vielleicht schon eine gewisse „Modeerscheinung“ darstellt, wird die Krankheit gerade in frommen Kreisen gerne tot geschwiegen. So nach dem Motto: Der Herr hat uns doch erlöst, da muss man doch fröhlich sein und immer über allem schweben. Und jemand mit einer Depression, der kann doch dann auch irgendwie kein richtig guter Christ sein ...

Und ich hab mir natürlich auch überlegt, ob gerade jetzt der beste Zeitpunkt dafür ist, eine Depression öffentlich zu machen, wenn in wenigen Tagen die Probezeit für meinen neuen Job beginnt.

Um das Berufliche mal gleich abzuhaken: Da habe ich keine Bedenken, denn ich habe in den letzten Jahren trotz der Depression meine Arbeit ziemlich gut gemacht. Ich habe nicht gefehlt, ich war verlässlich, effektiv, habe keine Termine verpasst und ich habe – das ist jetzt nicht gerade bescheiden, aber es ist meine Sicht auf meine Arbeit – deutlich mehr geleistet und abgeliefert, als ich unbedingt gemusst hätte. Und das wird mit großer Sicherheit auch so bleiben. Und ich glaube, dass meine Vorgesetzten das auch einzuschätzen wissen. (Einer liest manchmal in meinem Blog mit. Falls du bis hierhin gekommen bist: Grüße!)

Der fromme Bereich ist da etwas schwieriger, denn da herrscht – wie oben schon geschrieben – immer noch die Überzeugung, dass STARKE Christen nur diejenigen sind, die keine Schwäche, keine Krankheit und keine Probleme haben. Also nur diejenigen, die in ihrem Leben offensichtlich von Sieg zu Sieg eilen und alles im Griff haben.

Um es mal deutlich zu sagen: Mich kotzt das an! Denn es entspricht nicht der Realität, sondern – wenn überhaupt – der geschönten Scheinwirklichkeit der „Vorzeige-Christen“, die bei ihren Auftritten zu Predigten oder Worshipmusik immer so tun müssen, als würden sie durch ihre Selbstsicherheit und Heiligkeit den Himmel persönlich auf die Erde holen. Jeder, der als Christ mit offenen Augen durch die Welt geht, weiß genau, dass das absoluter „bullshit“ ist.

Ich bin deshalb Christ und leidenschaftlicher Anbeter, weil ich mir meiner eigenen Unzulänglichkeit und Zerbrochenheit bewusst bin. Weil ich weiß, dass ich NIE auf irgendeiner Bühne stehen und Lieder für Jesus singen würde, wenn es darum ginge, dass das nur die Coolen, die Heiligen, die Unfehlbaren machen dürften.

Und ich bin wirklich froh und dankbar, dass ich in einer Gemeinde und in einem Worshipteam mitarbeiten darf, wo die anderen mir diese Zerbrochenheit zugestehen. Interessanterweise sind gerade meine Lieder, die sich damit beschäftigen, dass Gott meine Unzulänglichkeit benutzt, um ihn zu ehren, die Lieder mit der größten Resonanz. Und auch wenn die anderen im Musikteam manchmal liebevoll lästern und sagen: „Klaus hat wieder einen Jammer-Song geschrieben“, machen sie genau diese Texte und diese Lieder immer wieder sehr engagiert auch zu ihren eigenen.

„... hast in meiner Seele Licht gemacht und in mir den Sturm gestillt.

Bist mein Stern, mein Weg, in jeder Nacht, hast die Leere ausgefüllt ...“

(aus meinem Lied „Gerade dann“)

Damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Wir singen und spielen mit großer Leidenschaft auch ganz „normale“ Worshipsongs. Denn auch wenn David in den Psalmen ziemlich oft „lost“ wirkte, jammerte und mit Gott haderte, hat er trotzdem immer wieder auch zu diesem klaren Lob Gottes und zu einer von sich selbst wegschauenden Anbetung gefunden. Und genau auf diesem Weg sind wir auch.

Aber jetzt zurück zu den Aufnahmen: Für mich ist es – wie oben schon geschrieben – eine Art Therapie, meine Songs aufzunehmen und dann zu veröffentlichen. Gerade in diesen Phasen, in denen du alle Kraft brauchst, um deine Arbeit zu machen und den notwendigen Verpflichtungen nachzukommen und ansonsten eigentlich nur irgendwie auf dem Sofa sitzen oder noch besser nur im Bett liegen willst – gerade dann! (um nochmal den Songtitel von oben zu zitieren) – hilft es mir, wenn ich mich in so eine Songaufnahme hineinarbeiten kann. Meist sind die ersten zwei, drei Versuche nicht erfolgreich und ich bin mit dem Ergebnis überhaupt nicht zufrieden. Aber irgendwann entsteht dann eine Variante, die Spaß macht und bei der ich mich wohlfühle. Und dann nehme ich die Gitarren auf, den Bass und schließlich zum Schluss den Gesang. Ich mische das zusammen, füge ein bisschen Hall hier und da zu, sorge für Rauschverminderung auf den Spuren, nehme manchmal noch Anpassungen bei den Höhen oder Bässen vor. Dann die Aufteilung im Stereobereich und anschließend so lange rummixen, bis es irgendwann nicht nur auf den Kopfhörern, sondern auch auf der normalen Soundanlage einigermaßen klingt. Das dauert insgesamt viele Stunden und in dieser Zeit sitze ich schonmal nicht selbstmitleidig irgendwo rum. Und wenn ich dann mal kurz dran denke, dass jeder echte Musiker die Krise kriegen wird, wenn er meine Aufnahme hört, weil ein Profi das selbstverständlich ganz anders gemacht hätte, dann rufe ich diesen Musikern in Gedanken zu: SING MEINEN SONG! 😁 Mach ihn besser, ich würde mich freuen. Aber diese Demo-Aufnahme, das ist das, was ich kann. Und ich mache es einfach, weil ich Bock drauf habe!

Und natürlich freue ich mich auch, wenn jemand dem Song-Video ein „Like“ verpasst oder einen netten Kommentar schreibt oder wenn irgendwer sogar den Text und die Akkorde anfordert, um das Lied in der eigenen Gemeinde zu spielen. Das macht mich immer wieder ein bisschen stolz und glücklich. Denn dann habe ich das Gefühl, dass MEIN Lied auch ein Stück weit zum Lied der anderen wird und dass es zu diesem großen Ziel beiträgt, das Lob Gottes durch Lieder immer weiterzutragen.

Genau aus diesem Grund mache ich das ... 

 

P.S.: So! Und wenn ihr euch jetzt nochmal durch meinen YouTube-Kanal (siehe: https://www.youtube.com/channel/UCBUn4ew6Gs9DRuf12AqrCAA ) arbeiten könntet und bitte ein paar wohlwollende Kommentare verfasst für den bemitleidenswerten Klaus ... 😁😁😁   


Nachtrag am 16.04.:
Ich habe noch nie so viele Reaktionen und Rückmeldungen erhalten, wie auf diesen Blogbeitrag. Per Mail, bei Facebook, WhatsApp, Messenger oder auch im persönlichen Gespräch. Manche hatten tatsächlich Mitleid oder haben sich Sorgen gemacht (das ist nicht nötig und war auch nicht beabsichtigt), andere haben von ähnlichen Erfahrungen berichtet oder sich für die Offenheit meines Posts bedankt.

Da ich es glücklicherweise nur mit einer leichten Variante von depressiven Phasen zu tun habe, eigne ich mich ganz sicher nicht als "Vorzeige-Depressiver". Genau genommen eigne ich mich eigentlich grundsätzlich nicht zum "Vorzeigen" oder als Vorbild. Wenn mein Beitrag dich aber ermutigt hat, offener mit psychischen Problemen umzugehen und/oder dir Hilfe zu suchen, dann ist das ein Erfolg. Gott segne dich!

Kommentare

Don Ralfo hat gesagt…
Vielen Dank für diesen Post!
Spricht mir aus dem Herzen. Ich kann das so gut nachvollziehen. Habe auch ähnliche Erfahrungen gemacht.
Liebe Grüße
Ralf Förthmann