Ich weiß gar nicht so genau, warum ich mir ausgerechnet die sog. Porta-Kanzel als Ziel für meine erste Urlaubswanderung ausgesucht hatte. Und im Nachhinein wäre es vielleicht auch schlauer gewesen, statt der 25 km eine etwas kürzere Strecke zu nehmen. Denn am Schluss war ich dann doch schon ziemlich müde. Aber dazu später mehr, wir wollen ja nicht die Spannung wegnehmen ... 😁
Jedenfalls hatte ich mir für den ersten Urlaubstag diese Wanderung vorgenommen und wollte das trotz einer leicht ungünstigen Wettervorhersage auch nicht ändern. Denn wer in Lohfeld aufgewachsen ist, der lässt sich nicht von ein paar Regentropfen abhalten.
Der neue Rucksack war gepackt und ich hatte für Regenwetter nicht nur die Regenjacke, sondern auch extra noch ein Ersatzshirt und auch eine Schutzhülle für das Smartphone mitgenommen. Getränkemäßig war ich der Meinung, zwei Liter müssten ausreichen, was in diesem Fall aber etwas zu knapp bemessen war. Nächstes Mal also vielleicht doch noch eine Kiste Bier in den Rucksack ... 😁
Morgens um kurz vor 8 Uhr ging's los. Und zunächst musste ich 170 Höhenmeter überwinden, die aber natürlich am Anfang noch gut machbar sind (siehe Screenshot), wenn man gerade von zu Hause aufgebrochen ist und die geliebte Ehefrau im Blümchenkleid an der Tür stand und hinterhergewinkt hat (... nein, hat sie nicht gemacht 😁)
Oben angekommen, kannte ich die nächsten Kilometer, denn da bin ich mit meinem Kumpel Kassi vor zwanzig Jahren oft in der Marathonvorbereitung langgelaufen, wenn wir unsere langen Trainingsläufe gemeinsam absolviert haben. Statt nach Kleinenbremen ging es dann aber weiter in Richtung Lohfeld, wo ich die ersten 15 Jahre meines erfüllten Lebens verbracht habe. Genau bei km 6,66 (die Zahl ist für Christen jetzt nicht soooo super 😁) hätte ich links abbiegen müssen, um bei "Mettwurst-Möller" rauszukommen.
Die Gaststätte gibt es aber schon lange nicht mehr und seit damals "Oma Mettwurstmöller", die Seniorchefin, gestorben war, hatte die Qualität der Jägerschnitzel ohnehin nachgelassen. Ich ging also weiter geradeaus in Richtung Porta Westfalica.
Trotzdem kannte ich die Gegend hier natürlich noch, denn da sind wir jahrelang fast jeden Tag im Wald rumgelaufen. Beispielsweise auch bei "Korffs Quelle", einem Tretbecken mit kaltem Quellwasser mitten im Wald.
Am Schlagbaum dachte ich: "Mist! Jetzt haben sie die Grenze zugemacht." Ging aber dann trotzdem weiter nach Hausberge, wo ich vor unserem Umzug nach Rinteln zur Schule gegangen bin. Und ein cooles Schwimmbad hatten sie damals auch.
Kurze Zeit später dann die Gedenktafel für das KZ-Außenlager Hausberge. Ich schreibe hier keinen politischen Beitrag, aber ich stand auch heute wieder kurz fassungslos davor, mit dem Gedanken, dass wir scheinbar aus unserer Geschichte wenig gelernt haben, wenn über 20 % der Menschen die AfD wählen.
Dann weiter zum Fernsehturm an der Porta, der uns früher immer mit solchen tollen Sendungen wie Daktari, Bonanza oder den Winnetou-Filmen versorgt hat. Kurz vor dem Fernsehturm hat mich die "komoot-App" noch etwas verarscht und ich bin ungefähr 500 Meter auf dem falschen Weg gegangen (nein, es lag nicht an mir, ich bin nämlich ziemlich intelligent und man hätte einfach nur rechts am Fernsehturm vorbei ... aber nein ...)
Und dann ging es noch einige hundert Meter wieder bergab bis zur Porta-Kanzel. Hier dachte ich bereits: "Mist, da muss ich ja dann auch gleich wieder hoch!" Trotzdem lohnte sich der Ausblick auf jeden Fall. Eine wunderbare Sicht aufs "Kaiser-Wilhelm-Denkmal" und auf die Weser, die durch die Porta fließt.
Kleiner wissenschaftlicher Exkurs: Hier an dieser Stelle kam die Weser vor tausend Trillionen Jahren angeflossen und dann stand da halt ein Berg im Weg. Und die Weser hat das nicht eingesehen, dass sie wieder zurückfließen soll und deshalb hat sie sich einfach durch den Berg durchgearbeitet (wahrscheinlich mit Dynamit, aber das ist nicht ganz geklärt). Netterweise hat sie das so gemacht, dass das Kaiser-Wilhelm-Denkmal nicht beeinträchtigt wurde ... eigentlich ziemlich nett von der Weser.
Hier gönnte ich mir dann nicht nur Zeit für ein paar Fotos, sondern auch für Essen und Trinken und ein trockenes Shirt, da das erste nicht nur durchgeschwitzt, sondern auch schon vom leichten Regen zwischendurch etwas nass geworden war. Dieses Schicksal sollte das zweite Shirt dann auch ereilen, aber das kommt gleich.
Ehrlich gesagt merkte ich jetzt doch schon die bisherigen 13 km in den Beinen und wusste auch, dass ich mit den Getränken etwas haushalten musste (weil ich clever bin ...) Also nach kurzer Rast dann Aufbruch zum Rückweg, damit man nicht zu lange sitzt.
Das Schöne war: Die Sonne kam jetzt durch und tauchte den Wald in ein wunderbares Licht. In einem Farndickicht musste ich irgendwie an "Gorillas im Nebel" denken, habe aber keine gesehen. Die sind ja meist sehr scheu ...
Eigentlich hatte ich nur Respekt vor dem letzten Anstieg, der ungefähr 3,5 km vor dem Ziel auf mich wartete. Den kannte ich auch schon von unserem Lauftraining. Damals war er auch anstrengend, aber wir sind da eigentlich fast immer noch ziemlich locker hochgelaufen. Heute würde es anstrengender werden, das war mir klar.
Leider war dann die Sache mit dem Sonnenschein bald erledigt ... und dunkle Wolken umhüllten den Wald und boten dem bangen Blick des Wanderers eine fast schon unheimliche Dunkelheit, die durch das Donnergrollen noch verstärkt wurde ... (Sorry, ich wollte nur mal kurz etwas literarisch Wertvolles schreiben ... 😁).
Tja, und dann brach dieser sehr heftige Wolkenbruch innerhalb von Sekunden los. Ich konnte mir noch die Regenjacke anziehen, vergaß aber, mein Handy in die wasserdichte Schutzhülle zu packen. Und als ich an das Handy dachte, war das in der Hosentasche längst zu nass geworden und hatte sich verabschiedet.
Den Rückweg kannte ich und außerdem habe ich normalerweise sowieso die Fähigkeit, einen Weg auch wieder zurückzugehen und mich dabei nicht zu verlaufen (weil ich clever bin ... was man bei der Sache mit dem Handy ja bezweifeln könnte ... 😁)
Schon die vorletzte Steigung war anstrengend, aber ich stiefelte durch den Regen und wollte mich nicht irgendwo hinsetzen. Schutzhütten gab es jetzt auch keine mehr, denn an denen war ich schon vorbei. Und dann kam die oben schon angesprochene letzte Steigung, die mir echt Mühe bereitet hat. 25 km sind wohl für den Anfang auch etwas viel gewesen. Ungefähr in der Mitte der Steigung - dankenswerterweise jetzt wieder ohne Regen - setzte ich mich kurz auf einen großen Stein und ruhte mich für eine Minute aus. Hätte ich früher nicht gebraucht, aber man ist ja keine 60 mehr ... 😁
Dann aber weiter und über die Fußgängerbrücke über die Autobahn. Von dort ging es dann nur noch bergab. Das war natürlich deutlich leichter und auch wenn ich nicht unbedingt der begeisterte Bergab-Geher bin (weil ich mein Übergewicht immer etwas abfangen muss, um nicht als Lawine ins Tal zu rollen), wusste ich jetzt, dass es bald geschafft ist.
Eigentlich gehe ich am liebsten weder bergauf noch bergab, sondern einfach gerade. Vielleicht sollte ich nach Ostfriesland ziehen, aber die machen immer so Scheiß-Witze ...😁 (Wie? "Du doch auch!" Ich geb dir gleich ...)
Zu Hause das Handy sofort in Reis gelegt, denn der wurde ja bekanntlich von Gott hauptsächlich dafür geschaffen, um die Feuchtigkeit aus Smartphones zu ziehen. Und wie man an den Fotos sehen kann, die ich jetzt doch noch sichern konnte, hat es geholfen. Und vielleicht kann ich mein Smartphone noch ein Jahr länger nutzen und muss mir nicht das viel bessere und geilere und völlig überteuerte Nachfolge-Nachfolge-Nachfolge-Modell kaufen.
Die komoot-Messung ist aber leider futsch. Sie endet jedenfalls bei 19,7 km.
Die App wollte mich deshalb gleich wieder neu losschicken, aber das könnt ihr vergessen. Mit den Blasen unter den Füßen gehe ich heute höchstens nochmal die Treppe runter. Oder ich rufe meine Frau an, ob sie mir was zu Essen hochbringt ... 😁
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